„Ich bin im Wald“ – Ausflug per VR-Brille im Seniorenheim

  • 20. Mai 2020

Abwechslung, Anregung und Aufmunterung in den Alltag der Bewohner von Pflegeeinrichtungen zu bringen – das ist aufgrund der gebotenen Kontaktbeschränkungen aktuell schwierig. Philipp Köhler engagiert sich ehrenamtlich als Pressesprecher des DRK Bad Kreuznach. Hauptberuflich entwickelt er als Geschäftsführer der SKILLS-ACADEMY virtuelle Rundgänge. Im Gespräch mit der Pflegedienstleitung des DRK-Seniorenheims Rheingrafenstein entstand spontan eine Idee, wie durch den Einsatz von Virtual Reality Abhilfe geschaffen werden kann.

Herr Köhler, wie wurden die virtuellen Rundgänge für die Bewohner des Seniorenheims Rheingrafenstein entwickelt?

Die Idee entstand im Zuge der Corona-Krise spontan im Gespräch mit der Pflegedienstleitung des Seniorenheims Rheingrafenstein, die mir die aktuelle Situation in der Einrichtung mit ihren rund 50 Bewohnerinnen und Bewohnern schilderte. In meinem Unternehmen entwickeln wir virtuelle Rundgänge, die unter anderem mit 3D-Brillen besucht werden können. Das heißt, die verwendete Technik ist bereits vorhanden, wurde aber bislang in anderen Zusammenhängen genutzt.

In Zusammenarbeit mit dem Seniorenheim wurde ein Nutzungskonzept entwickelt: Wie wird das Pflegepersonal im Umgang mit der Technik geschult, welche Bewohner erhalten wann Zugang zur VR-Brille, wie sind die Anwendungsmöglichkeiten?

3D-Videos, die man mit der Brille anschauen könnte, gibt es zum Beispiel auf YouTube reichlich. Uns war aber wichtig, den Bewohnerinnen und Bewohnern Vertrautes zu zeigen, Erinnerungen zu wecken. Wir haben bislang sechs Videos gedreht: Wald, Felder und Natur aus der Umgebung, lokale Wahrzeichen wie den Kirchturm von Bad Kreuznach, einen Besuch auf dem Wochenmarkt – vertraute, heimatverbundene Orte.

Die Entwicklung entstand als ehrenamtliche Eigenleistung, die Technik bzw. die Anschaffung der Brille wurde über Spenden finanziert.

Wie erfolgt die Anwendung der Brille?

Die Bewohner sitzen auf einem Drehstuhl. Alternativ kann die Brille auch liegend genutzt werden, mit erhöhtem Oberkörper.

Es gibt verschiedene Aktivitätslevel. In der Regel steigen wir mit dem niedrigsten ein, einem Besuch im Wald oder am Feld. Das erfordert wenig Aufmerksamkeit, es entsteht keine Hektik. Das nächste Aktivitätslevel, kann gerade am Beginn bei einigen Bewohnern bereits für Stress sorgen, wenn sich die Menschen im Film bewegen, an einem vorbeilaufen.

Das dritte Aktivitätslevel, bei dem sich auch die Kamera selbst bewegt, ist für diese Zielgruppe eher zu hoch.

Was kann über die virtuellen Spaziergänge erreicht werden?

Es geht um eine kognitive Aktivierung oder aber auch gerade um Entspannung, was gerade jetzt wichtig ist. Denn die unsichere Situation und der Wegfall von Routinen führt zu Anspannung und Stress. Wenn Sie sich für zehn Minuten im Wald aufhalten, fühlen Sie sich mit Sicherheit entspannter, das ist nachgewiesen. Das funktioniert auch über die virtuellen Ausflüge.

Eine körperliche Aktivierung, sprich: eine Anwendung der Brille im Gehen, ist für diese Zielgruppe eher nicht geeignet. Die Anforderungen dabei sind hoch, es könnte zu Überforderung, Sturzgefahr und Cyberkrankheit kommen.

Perspektivisch wäre das vielleicht für die betreuten Wohngruppen denkbar, deren Bewohner körperlich noch aktiver sind.

Welche Reaktionen erleben Sie seitens der Bewohner?

In der Regel sieht man schnell, dass das Gesicht aufklart, man sieht die Freude, die Beruhigung. Ich erinnere mich besonders an eine Bewohnerin, die seufzend dreimal wiederholte ‚Ich bin im Wald‘. Nicht ‚Ich sehe den Wald‘. Das hat mich sehr berührt, denn es bestätigt die sehr reale, unmittelbare Wahrnehmung der virtuellen Spaziergänge.

Lieber Herr Köhler, wir danken Ihnen für das Gespräch! Wir wünschen Ihnen und den Bewohnerinnen und Bewohnern Gesundheit und schöne Ausflüge!

Weitere Informationen auch unter www.3dscan360.de.