4. Berliner Pflegekonferenz startet mit vielen Ideen und vollen Workshops

  • 10. November 2017
Mit spannenden Vorträgen und emotionalen Impulsen startete der 1. Tag der Berliner Pflegekonferenz. So wurde der 9. November zu einem wichtigen Tag für die Pflege.

 

Berlin, 10.11.2017 Nicht nur präsentierten das Serviceunternehmen spectrumK gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ein gemeinsames Papier zur Pflege in den Kommunen. Es waren vor allem die persönlichen Erfahrungsberichte der Referentinnen und Referenten, die die Gäste mit nach Hause nehmen konnten. Dass das Alter attraktiv und lebenswert sein kann, das zeigte beispielsweise Dr. Henning Scherf, langjähriger Bremer Bürgermeister und Mitglied einer alternativen Wohngemeinschaft. Anmoderiert von Moderatorin und Schriftstellerin Amelie Fried als „perfektes Vorbild fürs Älterwerden“, scheute er sich doch nicht, den Finger in die Wunde zu legen und laute Töne anzuschlagen: „Das Thema ist dramatisch – die Lage ist extrem. Ich habe mir vorgenommen, keine harmlose Rede zu halten. Wir sind mitten im Pflegenotstand und der verschärft sich von Jahr zu Jahr“, so Scherf. Die Perspektive in der stationären Pflege sei ob des Personalmangels grausam. Im ambulanten Bereich gebe es eine hohe Dunkelziffer von alleinstehenden Pflegebedürftigen, die zu verwahrlosen drohen. „In einem Land, in dem wir darüber streiten, ob wir den Wehretat erhöhen, macht mich das tief traurig“, so der SPD-Mann. Drei zentrale Forderungen an eine gute Pflege gab er dem Publikum und der Politik mit auf den Weg: Pflege vermeiden! Hier müssten alle Bereiche der Gesellschaft an einem Strang ziehen, so Scherf. Darüber hinaus müsse die ambulante Pflege gestärkt werden: „Ich möchte, dass wir Nachbarschaften entwickeln und uns nahe bleiben! Dass wir uns wahrnehmen und nicht ausgrenzen, wenn es uns am Ende des Lebens schlecht geht.“ Große Pflegeheime müssten der Vergangenheit angehören, so der ehemalige Bremer Bürgermeister. „Wir brauchen dezentrale Angebote, in denen Menschen möglichst selbständig leben können, wo aber eine verlässliche Begleitung organisiert wird. Denn wer weit weg von seinem alten Leben untergebracht wird, meldet sich früher ab als derjenige, der noch Zugang zu seinem alten Leben hat. Das möchte ich in Ihre Köpfe kriegen“, ermahnte Scherf.

 

In Dilek Kolats Kopf entsteht es schon – das neue Bild der Pflege. Und nicht nur hier: Die Berliner Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung freute sich über Scherfs scharfsinnige Worte und meinte: „Wir brauchen viel mehr solche Fürsprecher für die Pflege von Ihrem Kaliber – denn Sie ordnen Pflege dort ein, wo sie hingehört: in die Mitte der Gesellschaft.“ Kolat betonte, sie meine es „ernst mit der Pflege: Ich bin die erste Pflegesenatorin überhaupt und wir bauen in Berlin gerade eine eigene Pflegeabteilung im Senat auf.“ Die Senatorin stellte in diesem Zusammenhang auch ihren 12-Punkte-Plan vor und bekräftigte: „Wir stehen für einen Neustart in der Pflege und zeigen, wie es geht. Aber da muss sich die Branche bewegen!“

 

Prof. Dr. Betty Meyboom-de Jong von der Medizinischen Hochschule Groningen stellte das „Dutch National Care for Elderly Programm“ vor, das von 2008 bis 2016 in den Niederlanden ausgerollt wurde. Das Ziel: Wissen zu sammeln, um eine bessere Versorgung von älteren Menschen zu entwickeln. Das Ergebnis: 8 geriatrische Netzwerke – angedockt an den Universitäten des Landes, mehr als 650 Organisationen, 218 innovative Projekte, 45 Doktorarbeiten, 400 Veröffentlichungen. „Wir haben insgesamt Daten von 43.000 älteren Menschen ausgewertet. Meyboom stellte stellvertretend 3 Projekte vor: einen integrierten Nachbarschaftsansatz, das Projekt „Embrace“, in dem vor allem Menschen mit großem Unterstützungsbedarf durch einen Case-Manager betreut wurden, und die „Transitional  Care Bride“, bei dem ältere Menschen nach Krankenhausaufenthalt unterstützt werden. So viel unterschiedliches Wissen durch die Projekte gesammelt wurde, so simpel ist doch die Botschaft – der Schlüssel des Gesamtprogramms: „Wir haben die älteren Menschen nicht als Forschungsobjekte betrachtet, sondern sie waren von Anfang an Teil des Projektes“, so Meyboom-de Jong. Das sei auch der Erfolg des Programms: „Es ist zu einer Bewegung – Ageinig better – geworden, die sehr viele Botschafter hat. Ihr Fazit: „Die Unterstützung und Pflege der Älteren sollte passen, wie eine warme und gemütliche Jacke!“

 

Gar nicht passend empfindet Dr. Matthias Thöns – Palliativarzt und Buchautor – derzeit, was vielerorts und viel zu häufig am Lebensende passiert. Da werde häufig übertherapiert und nicht auf den Willen des Patienten Rücksicht genommen. Thöns nannte einige Beispiele und fragte sich: „Warum machen wir Ärzte das?“ Denn vieles grenze schon an Betrug und Körperverletzung. Der Palliativmediziner rät allen Menschen, sich frühzeitig abzusichern: Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung seien eine Möglichkeit, ab er auch das Einholen einer Zweitmeinung. Vor allem aber seien „mutige Bürger gefragt, die sich dem System widersetzen“.

 

Mut machte indessen auch der Vortrag von Dr. Gea Sijpkes, Geschäftsführein von Humanitas Deventer, die ihr Programm „Ageing and engaging“ vorstellte: Man könne das Alter und Krankheiten oft nicht vermeiden – aber man könne den alten Menschen „Leben injizieren“. Bei Humanitas wohnen deshalb gerade sechs junge Studenten kostenlos in der Pflegeeinrichtung. Und sowohl alte als auch junge Menschen machen einzigartige Erfahrungen: Sie essen gemeinsam, feiern gemeinsam Pyjama-Parties – und lernen fürs Leben und über das Sterben. „Die Studenten sind aber nur ein Teil des Puzzles“, erklärt Sijpkes, „wir durchbrechen Mauern und reißen Zäune um.“ Tipp der Einrichtungsleiterin: „Fangen Sie einfach klein an – und schauen Sie, was passiert!“

 

Aus der Not heraus hat die Jersey Post ein Pflege-Unterstützungsprogramm geboren – und zwar nicht aus der Pflegenot: Joe Dickinson, Erfinder von Call & Check auf der Kanalinsel Jersey suchte eine zusätzliche Aufgabe für seine Kollegen: „Wenn der Postbote einmal weg ist, kommt er nicht wieder“, fürchtete er angesichts sinkender Zahlen von Briefen. „Da habe ich mich gefragt: Können wir auch etwas anderes als Briefe austragen?“ Entstanden ist ein Haus-zu-Haus-Service, bei den die Postangestellten 5 wesentliche Fragen an die eingeschriebenen Teilnehmer stellen: Haben Sie Ihr Medikament genommen? Denken Sie an Ihre Termine? Erinnerungen an Verabredungen und Termine? Wie geht es Ihnen heute? Gibt es Botschaften, die wir an Ihre Ärzte/Pflegekräfte übermitteln sollen – und haben Sie irgendwelche anderen sozialen Bedürfnisse? Seit 2013 haben die Postleute auf der 100.000-Einwohner-Insel diesen Nebenjob. Und es geht sowohl der Jersey-Post als auch den älteren Menschen gut damit.

 

Inspiriert von so vielen guten Projekten ging es dann in die Workshops. Dort konnten ob des großen Andrangs kaum die Türen geschlossen werden. Der erste Tag der 4. Berliner Pflegekonferenz war also für alle ein „voller“ Erfolg.

 

Veranstalter: spectrumK ist ein Full-Service-Dienstleister für die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen. Zu den Kernkompetenzen gehören die Entwicklung, Realisierung und Evaluation von Dienstleistungen und Produkten aus den Bereichen Beschaffungs-, Versorgungs-, Finanz- und Informationsmanagement sowie Pflege.

 

Ansprechpartner: Malte Harlinghausen, spectrumK Unternehmenskommunikation E-Mail: malte.harlinghausen@spectrumk.de Tel.: 030-21 23 36 161